Gespräch mit Prof. Dr.-Ing. Michael Sterner, Teamleiter Forschungsstelle für Energienetze und Energiespeicher (FENES), Fakultät für Elektro- und Informationstechnik der OTH Regensburg, über das Projekt „Wasserstoffatlas"
Sehr geehrter Herr Prof. Sterner,
können Sie uns bitte Ihr Projekt „Wasserstoffatlas" näher vorstellen? Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihren Projektaktivitäten und welchen Nutzen bringen die Projektergebnisse?
Das übergeordnete Ziel des vorliegenden Vorhabens ist die Darstellung der Wertschöpfungsketten von grünem Wasserstoff und Power-to-X für Deutschland in einem frei zugänglichen, interaktiven Atlas als Grundlage zur Information und Aktivierung aller Entscheidungsträger. Dabei sollen folgende Fragen konkret beantwortet werden:
Der Wasserstoffatlas Deutschland kann verschiedenen Interessengruppen auf unterschiedliche Art und Weise nutzen. Beispielsweise können dadurch politische und wirtschaftliche Entscheidungsprozesse unterstützt werden. Insbesondere für den nationalen Wasserstoffrat können Resultate aus dem Wasserstoffatlas eine hohe Relevanz besitzen und bei der Arbeit des Rates Unterstützung leisten. Die Aktivierung relevanter Entscheidungsträger vor Ort und die Senkung von Hemmnissen bei der Umsetzung der Wasserstoffinitiative ist einer der für uns wichtigsten Aspekte und möglicher Nutzen des Vorhabens. Darüber hinaus können Erkenntnisse zum möglichen Beitrag einzelner Regionen zur Defossilisierung des Energiesystems gewonnen und es kann ein weiterer Wissenstransfer angeregt werden.
Warum braucht Deutschland einen Wasserstoffatlas?
Es gibt viele Rückfragen von diversen Interessengruppen, wie Regionalpolitiker, Unternehmen oder regionale Netzbetreiber, welche sich für das in Ihrer Region, bzw. Ihrem Unternehmen oder Einzugsgebiet befindliche Wasserstoffpotenzial und dessen mögliche Einsatzgebiete interessieren. Der Mangel an Informationen ist oftmals eine Hürde, die der Realisierung von Projekten im Weg steht und damit den Fortschritt der Energiewende behindert. Der Wasserstoffatlas Deutschland bietet ein Instrument diese ersten Hemmnisse bei der Konzeptionierung von H2/PtX-Projekten flächendeckend zu senken und soll darüber relevante Entscheidungsträger vor Ort aktivieren. Dadurch kann der Atlas einen wichtigen Beitrag zur Realisierung und Umsetzung der Wasserstoffinitiative und -republik leisten.
Welche Potenziale und Chancen bringt Wasserstoff in der Energiewende, im Klimaschutz und in der Energie-Versorgung, die durch den Ukraine-Krieg aktuell gefährdet ist?
Der Einsatz von Wasserstoff bzw. Power-to-X ist zum Erreichen der Energiewende aus systemischer und volkswirtschaftlicher Sicht absolut sinnvoll und zielführend. Damit kann eine „Brücke" zwischen den verschiedenen Sektoren Strom, Wärme, Verkehr und Industrie gebaut werden. Gerade in Bereichen, in welchen eine Elektrifizierung sehr aufwendig bzw. nicht möglich ist, existiert mit Wasserstoff bzw. Power-to-X ein Instrument, diese zu defossilisieren. Auch wird bereits heute in der chemischen Industrie wie z. B. bei der Ammoniakherstellung große Mengen an Wasserstoff verwendet, die relativ einfach durch grünes Gas substituiert werden können. Durch die Speicherbarkeit von H2 und PtX kann zudem ein wichtiger Beitrag zur Versorgungssicherheit und Resilienz eines nachhaltigen Energiesystems geleistet werden. Dies ist auch ein wichtiger Aspekt hinsichtlich der aktuell gefährdeten Energiesicherheit. Wir könnten einen großen Teil der notwendigen Energieträger hier in Deutschland erzeugen. Dadurch könnte die Abhängigkeit von anderen Ländern deutlich reduziert werden. Der verbleibende Importbedarf kann auf viele Partnerländer aufgeteilt werden, weil nahezu überall Wind- und Solarenergie vorhanden ist. Dort können grüne Kraftstoffe für unseren Import erstellt werden. Dadurch kann die Abhängigkeit von einzelnen Lieferländern deutlich vermindert werden.
Welche Partner arbeiten mit Ihnen am Wasserstoffatlas und wie wird die Maßnahme finanziert?
Am Wasserstoffatlas sind noch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. VDMA und seit kurzem DIW Econ beteiligt. Der VDMA unterstützt dabei mit seinem umfassenden Netzwerk und den darüber zugänglichen Informationen. DIW Econ analysiert die Beschäftigungseffekte, welche in den einzelnen Regionen mit einem großflächigen Einsatz von Wasserstoff bzw. PtX einhergehen. Gefördert wird der Wasserstoffatlas vom Bundesministerium für Bildung und Forschung – BMBF.
Können von den Projektergebnissen auch unsere EDM-Regionen in Tschechien und Österreich profitieren bzw. ist Ihr Projekt auch in anderen Ländern realisierbar?
Gegenwärtig beschränkt sich der Wasserstoffatlas auf die Darstellung der deutschen Potenziale. Jedoch ist die Methodik und Plattform bei Datenverfügbarkeit auch auf andere Länder übertragbar.
Danke für das nette Gespräch!
Kontakt:
Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher (FENES)
Fakultät für Elektro- und Informationstechnik
OTH Regensburg
Postfach 12 03 27
93025 Regensburg
Tel. + 49 - 941 - 943 - 9888
E-Mail: michael.sterner@oth-regensburg.de
Internet: https://www.wasserstoffatlas.de
Foto: Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger und Prof. Michael Sterner stellen den Wasserstoffatlas Deutschland vor.
Fotoquelle: Oliver Kern, Fotodesign