Interview mit Leiterin Kathrin Martin, Operative Leitung und Sonja Weigerstorfer Projektleiterin DigiCare4CE, Gesundheitscampus Bad Kötzting der Technischen Hochschule Deggendorf
Sehr geehrte Frau Martin, sehr geehrte Frau Weigerstorfer,
können Sie uns bitte einen kurzen Überblick über das Projekt DigiCare4CE geben und erklären, welche Ziele das Projekt verfolgt?
Im Rahmen des Interreg Mitteleuropa-Projekts DigiCare4CE analysieren insgesamt zehn Partner aus sieben EU-Ländern (Deutschland, Österreich, Italien, Tschechien, Slowakei, Polen und Slowenien) eingehend das Potenzial und die Umsetzbarkeit von Digitalisierungsprozessen in Langzeitpflegeeinrichtungen. Das übergeordnete Ziel besteht darin, ein umfassendes Verständnis für die digitale Transformation in diesem Bereich zu entwickeln. Im Detail werden wir dies durch die Implementierung von insgesamt acht Maßnahmen in assoziierten Pflegeeinrichtungen genauer erproben. Diese Maßnahmen umfassen beispielsweise Pflegedokumentationssoftware, Sturzsensoren, VR-Technologie und Tools für das Wundmanagement, je nach den individuellen Bedürfnissen jeder Einrichtung.
Begonnen wird mit der Entwicklung des DigiCare4CE-Modells, mit dem Pflegeeinrichtungen ihren eigenen Grad der Digitalisierung herausfinden können. Ein zweiter Schritt ist die Erprobung von digitalen Innovationen in assoziierten Pflegeeinrichtungen. In einem dritten Schritt soll die digitale Transformation durch maßgeschneiderte Innovationspläne und praktische Umsetzungsleitfäden als strategisches Element im Management der Betreiber von Pflegeeinrichtungen verankert und investiv umgesetzt werden.
Der Gesundheitscampus Bad Kötzting der Technischen Hochschule Deggendorf ist im Projekt Lead Partner. Das Projekt läuft von März 2023 bis Februar 2026 und hat ein Projektvolumen von 2,18 Millionen EUR.
Welche spezifischen Herausforderungen im Gesundheitswesen möchten Sie mit dem Projekt DigiCare4CE angehen?
Die Überalterung der Gesellschaft stellt eines der dringendsten Probleme in Deutschland und anderen EU-Ländern dar. Das hat gerade im Pflegebereich starke Auswirkungen, denn die Zahl der Pflegefachkräfte stagniert, während die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Digitale Lösungen unterstützen das Pflegepersonal, doch das Potenzial der Digitalisierung wird noch zu wenig genutzt. Gemeinsam mit den Projektpartnern wird im Interreg CE-Projekt "DigiCare4CE" eine transnationale Strategie für die digitale Transformation von Pflegeeinrichtungen erarbeitet.
Welche innovativen Technologien und Ansätze werden im Rahmen von DigiCare4CE eingesetzt? Können Sie einige Beispiele für die eingesetzten digitalen Lösungen geben?
Das Projekt analysiert zwei verschiedene Stränge hinsichtlich der Digitalisierung in der Pflege. In drei pilotierenden Langzeitpflegeeinrichtungen werden digitale Verwaltungs- und Informationssysteme für die Organisation von Pflegeprozessen und den interdisziplinären Datenaustausch mit Dritten erprobt, während in fünf weiteren Einrichtungen die Erprobung verschiedener digitaler Lösungen im Pflegekontext stattfindet.
Als konkrete Beispiele lassen sich Sturzsensoren oder SOS-Buttons nennen, sowie mobile Apps und Virtual-Reality-Brillen, die vor allem Demenzerkrankten helfen sollen, motorische und geistige Fähigkeiten zu trainieren und so fitter zu bleiben.
Alle Maßnahmen sollen die Pflegekräfte in ihrem täglichen Arbeiten unterstützen und den Bewohnerinnen und Bewohnern mehr Lebensqualität sichern.
Wer sind die Hauptakteure und Partner in diesem Projekt? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Beteiligten?
Das Projekt setzt sich aus zehn Partnern aus Zentraleuropa zusammen. Dazu gehören (1) die Technische Hochschule Deggendorf (DE), (2) die geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz (AT), (3) das Institut für Hospiz- und Altenpflegedienste (IT), (4) der Verband der Sozialdienstleister der Tschechischen Republik (CZ), (5) die Technische Universität in Košice (SK), (6) das Anton Trstenjak Institut für Gerontologie und intergenerationelle Beziehungen (SI), (7) das Tschechische Institut für Informatik, Robotik und Kybernetik der Tschechischen Technischen Universität in Prag (CZ), (8) die Landesgesundheitsagentur Niederösterreich (AT), (9) der Europäische Verbund für Territoriale Zusammenarbeit Via Carpatia (SK) und (10) die Agentur für regionale Entwicklung in Rzeszow (PL).
Die Zusammenarbeit an den Projektaufgaben findet regelmäßig online statt. Zudem trifft sich das Konsortium halbjährlich bei einem der Projektpartner für einen gemeinsamen Austausch. Hierbei schätzen die Partner auch sehr den interkulturellen Austausch neben den klassischen Projektaufgaben.
Wer ist die Hauptzielgruppe des Projekts DigiCare4CE? Welche konkreten Vorteile und Nutzen können diese Zielgruppen durch das Projekt erwarten?
Das Projekt hilft Pflegeeinrichtungen beim Einstieg in den Digitalisierungsprozess durch in der Praxis umsetzbare Handlungsempfehlungen. Das große Ziel ist es, die Digitalisierung fest in die zukünftige Managementstrategie einzubauen. Zielgruppen wie Betreiber von Pflegeeinrichtungen profitieren vom transnationalen DigiCare4CE-Modell, dem Online-Check, dem Praxisleitfaden sowie durch die Teilnahme an Projektveranstaltungen. Studierende haben die Möglichkeit, im Rahmen einer Summer School die Projektergebnisse in ihr Ausbildungsprogramm zu integrieren.
Können Sie einige der bisherigen Erfolge und Meilensteine des Projekts DigiCare4CE hervorheben? Was waren die bedeutendsten Errungenschaften bisher?
Nach gut einem Jahr Projektlaufzeit sind die ersten digitalen Implementierungen erfolgreich gestartet, d.h. neue Technologien wurden angeschafft und sind in der stationären Pflege in Testung. Peer Reviews fanden bereits bei den meisten Partnern mit einer Pilot Action statt und ermöglichten, die getesteten digitalen Tools sowie die assoziierten Langzeitpflegeeinrichtungen besser kennenzulernen. Ein erster Output, das "Transnational DigiCare4CE-Model", kann auf der Internetseite https://www.interreg-central.eu/projects/digicare4ce/ angeschaut werden.
Inwiefern glauben Sie, dass die im Projekt DigiCare4CE entwickelten Ansätze und Lösungen auf andere Regionen oder Länder übertragbar sind? Was macht Ihr Projekt zu einem Best-Practice-Beispiel?
DigiCare4CE stärkt die Innovationskraft des Pflegesektors durch den gezielten Transfer von Projektergebnissen, wodurch externe Interessengruppen erreicht und die Kompetenz im Umgang mit digitaler Innovation erweitert wird. Das transnationale DigiCare4CE-Modell bietet eine universelle Strategie, die unabhängig von institutionellen oder nationalen Rahmenbedingungen anwendbar ist. Das macht es auch in anderen Regionen und Ländern anwendbar.
Der Digi4Care Online Check fördert einen niederschwelligen Transfer der Projektergebnisse und wird durch einen Newsletter an 10.000 Pflegeeinrichtungen und ein Webinar unterstützt. Damit können Pflegeheime schnell Benchmarks setzen und Defizite erkennen, um anschließend die resultierende Datenbank für Vernetzungs- und Kooperationsmaßnahmen zu nutzen.
Leitfäden aus den Pilotaktionen für die Praxis sind auf andere Regionen übertragbar. Aufgrund der Personalsituation gibt es wenige unabhängige Bewertungen zur Nutzung digitaler Innovationen in der Pflege, doch glaubwürdiges Benutzerfeedback wird über nationale Grenzen hinweg gesucht.
Die im Projekt entwickelten Tools können anderen Langzeitpflegeeinrichtungen somit als Best-Practice-Tools dienen, welche sie leicht anwenden und übernehmen können.
Wie wird das Projekt finanziert und welche Unterstützung haben Sie erhalten, um DigiCare4CE zu realisieren?
Das Projekt wird von der Europäischen Union (European Regional Development Fund) zu 80 % kofinanziert. Als Anschubfinanzierung zur Erarbeitung des Antrages haben wir im Jahr 2021 die Start Transnational Förderung erhalten. Viel Unterstützung in der Antragsvorbereitung haben wir auch vom Beratungsbüro der Europaregion in Freyung - von Frau Verena Pfeffer - sowie vom National Contact Point, Herrn Bernd Diehl, erhalten.
Herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg weiterhin bei der Realisierung der Projektziele!
Kontakt:
Kathrin Martin/ Dipl. Kulturwirtin
Operative Leitung
Gesundheitscampus Bad Kötzting
Tel: +49 991 3615-706
Mail: kathrin.martin@th-deg.de
Web: www.th-deg.de
THD - Technische Hochschule Deggendorf
DIT - Deggendorf Institute of Technology
Gesundheitscampus Bad Kötzting, Landshuter Str. 1a, 93444 Bad Kötzting, Germany
Foto: Projektteam DigiCare4CE trifft sich zum Workshop in St. Pölten, Niederösterreich
Fotoquelle: THD, DigiCare4CE