Sehr geehrter Herr Dr. Tichler, können Sie uns bitte einen Überblick über das Energieinstitut Linz an der Johannes Kepler Universität Linz geben? Welche sind die Hauptziele und Aufgaben des Instituts?
Das Energieinstitut an der JKU Linz beschäftigt sich mit seinen 40 Forscher:innen in jährlich ca. 100 F&E-Projekten mit der Weiterentwicklung und der Transformation des Energiesystems. Als außeruniversitäre Forschungseinrichtung weisen wir eine multidisziplinäre Struktur auf: die inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit der drei Abteilungen des Energieinstituts – Energiewirtschaft, Energierecht, Energietechnik – ermöglicht eine umfassende Analyse des Zukunftsthemas Energie.
Neue Herausforderungen für unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaftsräume wie die Transformation des Energiesystems brauchen aus unserer Sicht neue Herangehensweisen, teils mit neuen und teils mit bewährten Instrumenten. Wir verfolgen diesbezüglich einen holistischen, multidisziplinären Ansatz unter Berücksichtigung von rechtlichen, technologischen, (volks-)wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekten.
Für detailliertere Informationen zu unserem Institut, Forschungsbereichen, Methoden und Projekten verweise ich gerne auch auf unsere Webseite: https://energieinstitut-linz.at/
Könnten Sie uns die wichtigsten aktuellen Forschungsschwerpunkte und Forschungsprojekte des Energieinstituts nennen?
Ich möchte hier ganz bewusst konkrete Beispiele von Forschungsprojekten nennen, die in Summe denke ich einen guten Einblick in unsere Arbeit geben.
Im Bereich des „Greenings" von industriellen Prozessen realisieren und koordinieren wir unter anderem das Projekt „Heat Highway", das 2023 den oberösterreichischen Landespreis für Innovation gewinnen konnte. Heat Highway untersucht interregionale Wärmeübertragungsnetze analog dem Stromnetz, die mehrere industrielle Abwärme- und andere nachhaltige Quellen, bestehende Fernwärmenetze, industrielle Prozesswärmesenken und Wärmespeicher miteinander verbinden. Weiters hat im Jänner das europäische Projekt „TREASURE" gestartet, das sich mit Großwärmespeichern auseinandersetzt, um Saisonalitäten in der Wärmeversorgung auszugleichen. Dadurch wird die zeitliche Diskrepanz zwischen Angebots- und Nachfrageüberschüssen überbrückt und der Anteil der erneuerbaren Energien sowie der industriellen Abwärme im Wärmesektor forciert. Dieser Forschungsschwerpunkt zielt auch auf die Optimierung der betrieblichen sowie industriellen Kooperationen zur Forcierung der Ressourceneffizienz ab.
Ein bedeutender Forschungsschwerpunkt ist die wissenschaftliche Analyse des Energieverbrauchsverhaltens von Endkonsument:innen und von Unternehmen. Hier koordinieren und realisieren wir größere europäische Forschungsvorhaben wie das Projekt CAMPAIGNers. Dabei untersuchen wir nicht nur die Wirksamkeit neuer Maßnahmen zur Erhöhung der Nachhaltigkeit des Energieverbrauchs, sondern entwickeln auch neue holistische Ansätze, mit denen es gelingen kann und soll, bestehende Barrieren zu überwinden.
Im bedeutenden Zukunftsthema der Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid-Emissionen möchte ich beispielhaft das Projekte CaCTUS nennen. Hierbei analysieren wir mit unseren Kooperationspartnern das österreichische Potenzial der Nutzung von Kohlendioxid als Ressource sowie die Speicherpotentiale in Österreich. Ziel hierbei ist die langfristige Etablierung von Kohlenstoffkreisläufen sowie die langfristige Bindung der Kohlendioxidemissionen.
Last but not least möchte ich noch exemplarisch auf unseren Schwerpunkt auf der systemischen Erforschung von klimaneutralem Wasserstoff hinweisen, beispielhaft am europäischen Projekt EUH2STARS. In diesem Projekt, das sich mit der Weiterentwicklung der unterirdischen Wasserstoffspeicherung – u.a. zur saisonalen Stromspeicherung – beschäftigt, untersuchen wir sozioökonomische Perspektiven und Herausforderungen sowie neue notwendige regulatorische Ansätze zur Implementierung der systemisch notwendigen Technologien für die Transformation hin zu einem CO2-neutralen Energiesystem.
Welche neuen Technologien oder Ansätze werden erforscht, um die Energieeffizienz zu steigern? Können Sie Beispiele für erfolgreiche Innovationen oder Entwicklungen in diesem Bereich geben?
Unser Anspruch auf die eigene Energieforschung ist ein holistischer. Dies bedeutet für uns, dass wir insbesondere jene Technologien, Dienstleistungen, Systeme, Maßnahmen, Regulierungen, Geschäftsmodelle und Ansätze weiterentwickeln wollen, die für das Energiesystem und somit für unsere Volkswirtschaft Vorteile mit sich bringen.
Das ergibt auch eine breite Palette an spannenden, in der Entwicklung befindlichen Technologien zur Stärkung der Energieeffizienz – und hier vor allem der Ressourceneffizienz insgesamt und nicht ausschließlich der Endenergieeffizienz. Besonders hinweisen möchte ich deshalb hier auf die Weiterentwicklung von Speichertechnologien. Gemeinsam mit den spezifischen Technologiepartnern erforschen wir simultan zur technologischen Entwicklung vor allem die ökologische Performance, die Notwendigkeit neuer rechtlicher Ansätze, die Akzeptanz der Systeme, neue Geschäftsmodelle und die langfristige technoökonomische Ausprägung.
Welche Rolle spielt Wasserstoff in den gegenwärtigen und zukünftigen Aktivitäten des Instituts zur Förderung nachhaltiger Energie?
Wir setzen uns mit dem Thema Wasserstoff seit 15 Jahren intensiv auseinander. Unsere Rolle sehen wir hier zum einen in der systemischen Einordung der Bedeutung und des Einsatzes von Wasserstoff und in der ökonomischen, ökologischen, rechtlichen, sozioökonomischen Begleitforschung.
Klimaneutraler Wasserstoff ist eine bedeutende Säule des zukünftigen Energiesystems, aber kein Allheilmittel für alle Herausforderungen. Es gilt dabei, den Wasserstoff in Zukunft vor allem dort einzusetzen, wo er für das Energiesystem die größten Vorteile bringt und das sind somit vor allem jene Sektoren, wo etwa eine direkte Elektrifizierung keine Lösung darstellt.
Arbeiten Sie an Forschungsprojekten mit internationalen Partnern zusammen, z.B. auch mit Kooperationspartnern aus Deutschland oder Tschechien?
Natürlich, der internationale Austausch bzw. Zusammenarbeit ist ein zentraler Bestandteil in der Forschung. Wir arbeiten kontinuierlich mit Forschungsinstitutionen und Industriepartnern vor allem auf europäischer Ebene.
Um explizit auf Deutschland und Tschechien einzugehen: In zahlreichen Forschungsprojekten haben wir auch schon mit deutschen und tschechischen Kooperationspartnern, seien es Forschungs- oder Industriepartner, zusammengearbeitet. Um ein paar Beispiele von akademischen Partnern zu nennen: Fraunhofer, TU München, KIT Karlsruhe, LM München, Rohrdorfer, Hochschule Landshut, TH Deggendorf, Institute of Technology and Business in České Budějovice, Brno University of Technology, etc. Es freut uns stets sehr, mit den konstruktiven Kolleg:innen neue spannende Projekte in Angriff zu nehmen.
Welche Herausforderungen sieht das Energieinstitut Linz in Bezug auf die zukünftige Energieentwicklung und -effizienz? Gibt es auch Chancen oder Trends, die Sie als vielversprechend betrachten?
Das Energiesystem der Zukunft wird definitiv sehr stark elektrifiziert werden, und genau daraus ergeben sich enorme Herausforderungen. Um dieser steigenden Elektrifizierung auch Rechnung zu tragen, bedarf es natürlich neben einem zügigen Ausbau Erneuerbarer vor allem auch einer Implementierung neuer Energieinfrastruktur – von großen Netzen und Speichern bis zu dezentralen Lösungen bei Endverbraucher:innen. Dazu benötigt es aber auch zusätzliche begleitende Ansätze wie Carbon Capture and Utilisation, Demand Response Lösungen und neue regulatorische Maßnahmen.
Eine große Chance für das Energiesystem bildet wie bereits erwähnt die intensivierte Kooperation der Akteure. Nur dadurch kann es gelingen, die große Herausforderung der CO2-Neutralität zu realisieren – aber dafür bin ich optimistisch und bester Hoffnung.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei der Bewältigung der zukünftlichen Herausforderungen!
Foto: Dr. Robert Tichler, Geschäftsführer des Energieinstituts an der Johannes Kepler Universität in Linz
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