Gottlieb von Jagow (1863-1935), als Staatssekretär des Auswärtigen Amts von 1913 bis 1916 Spitzendiplomat des kaiserlichen Deutschland, war nach 1918 einflußreicher, wenngleich meist im Hintergrund wirkender Akteur in der geschichtspolitischen Debatte über die im Versailler Vertrag (v. a. Artikel 231) postulierte deutsche Kriegsschuld. Jagows teilweise enge Zusammenarbeit mit dem Amt und seine Rolle in einem weiten Netzwerk von ehemaligen bzw. aktiven Diplomaten und Politikern sowie Historikern und Publizisten sind bisher nahezu unerforscht. Die Behörde besaß mit dem sog. Schuldreferat eine Sonderabteilung, die die nationale und internationale Diskussion beobachtete sowie eine intensive, auf die Revision von Versailles zielende "Kriegsunschuldforschung" (Große Kracht) koordinierte und organisierte. Der Forschungsstand wird immer noch von Geiss, Heinemann und Dreyer/Lembke bestimmt, die sich 1983 bzw. 1993 allerdings auf institutionell-organisatorische Fragen und auf das Zusammenspiel mit der akademischen Historikerschaft konzentriert hatten. Die Rolle von Zeitzeugen wurde bisher nur am Rande untersucht. Am Beispiel Jagows wird nun die Einbindung ehemals Verantwortlicher in die geschichtspolitischen Debatten und in die Revisionsstrategie der deutschen Regierung herausgearbeitet sowie aus seinem umfangreichen, aber sehr zerstreuten und bis dato nahezu unausgewerteten Briefwechsel Schlüsseldokumente editorisch zugänglich gemacht werden. Dieses Material soll zudem mit den Publikationen Jagows und seinen bisher von der Forschung ignorierten autobiographischen Aufzeichnungen verglichen werden, die der Verfasser zeitlebens unter Verschluss hielt und dazu auch seine Erben verpflichtete.
Datum | 1. 3. 2018 |
Länderkürzel | DE |
Name der begünstigten Einrichtung | Universität Passau |
Projektleitung | Philosophische Fakultät Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte |
Verknüpfung | www.phil.uni-passau.de |
Förderrahmen & Förderprogramm | Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Sachbeihilfe |